Von Samed G.
Tiere im Islam
Ähnlich wie Menschen besitzen Tiere eine
Seele und haben fünf Sinne, somit können sie Schmerz und Genuss
empfinden. Aufbauend darauf könnte man davon ausgehen, dass es dem
Menschen verboten sein sollte, das Fleisch von Tieren zu verzehren. Das
islamische Gesetz, mit dem der Gesandte Allahs (s) kam, unterscheidet
zwischen dem Konsum von Tieren und dem von anderen Arten der Nahrung.
Aus den Offenbarungsquellen geht hervor, dass Allah der Allerhabene
gestattet, das Fleisch von bestimmten Tieren unter Berücksichtigung von
vorgeschriebenen Regelungen und Bedingungen zu verzehren. Im
Umkehrschluss bedeutet dies gleichzeitig, dass das Schlachten im Islam
weder eine willkürliche noch banale Angelegenheit ist. Vielmehr ist es
eine Form des Gottesdienstes. Beispielweise ist das sogenannte Opferfest
(ʿĪdu l-Aḍḥā) dazu da, an die vollkommene Ergebung Abrahams (Friede sei
über ihm) zu gedenken, als ihm befohlen wurde, seinen Sohn zu opfern
und Allah ihm als Erleichterung ein Schaf sandte.1 Das
Opfern eines Tieres ist Darstellung und Beweis der absoluten
Gehorsamkeit des Menschen gegenüber Allah. Er ist ein Diener Gottes,
welcher, ohne einen Moment zu zögern, den Befehlen Folge leistet – auch
wenn diese auf seinen Besitz beziehen oder gar sein Leben betreffen.
Nichtsdestotrotz beinhaltet
Fleischkonsum keine religiöse Verpflichtung. Im Islam ist eine
vegetarische, gar vegane Ernährungsweise mit der richtigen Absicht
erlaubt und gestattet. Dies allerdings aus der Überzeugung heraus zu
tun, dass Verzehr und Schlachtung von Tieren verboten ist bzw. sein
sollte, ist nicht erlaubt.2 Desweiteren aß der Gesandte
Allahs (s) auch Tierfleisch, dementsprechend kann Fleischverzehr aus
islamischer Glaubensüberzeugung nicht verboten werden.3 Denn Allah der Allerhabene sagt:
„Er ist es, Der für euch alles, was auf der Erde ist, erschuf (…)“ – al-Baqara [2:29] Übersetzung: Bubenheim
„Was ist mit euch, daß ihr nicht von
dem eßt, worüber Allahs Name ausgesprochen worden ist (…)“ al-Anʿām
[6:119] Übersetzung: Bubenheim
Verletzen von Tieren
Somit ist der spirituelle Aspekt des
Schlachtens, Gott zu gedenken, mit seiner Erlaubnis und um seines
Willens wegen zu schlachten.4 Denn im Islam ist das grundlose
Töten von Tieren ohne Nutzen. Auch das Töten und Jagen aus Spaß- und
Unterhaltungszwecken ist verboten und sündhaft. Dieses Verbot gilt für
alle Tiere, für die zum Verzehr erlaubten sowie für die zum Verzehr
verbotenen.5
„Der
Gefährte aš-Šarid (Möge Allāh mit ihm zufrieden sein) berichtet, dass er
den Gesandten Allahs (s), sagen hörte: ‚Wenn jemand aus Sinnlosigkeit
einen Spatz tötet, so wird es Allah den Allerhabenen am Tage des
Jüngsten Gerichts anrufen: ‚Oh Herr! Soundso tötete mich aus
Sinnlosigkeit und nicht für einen nützlichen Grund.‘6
(Sunan an-Nasāī 4446. Ṣaḥīḥ Ibn Ḥibbān 5894 und Musnad Aḥmad 4/489)“
„Ebenso
überliefert ʿAbd Allāh ibn ʿUmar (Möge Allah mit ihm zufrieden sein),
dass er an einer Gruppe von Menschen vorbei ging, die eine Henne
gefesselt hatten und auf sie schossen. Als sie ibn ʿUmar (Möge Allāh mit
ihm zufrieden sein) sahen, flohen sie und Ibn Umar (Möge Allāh mit ihm
zufrieden sein) sagte: ‚Wer tat dies [der Henne an]? Der Gesandte Allahs
(s) verfluchte diejenigen die so etwas tun.‘ In einer anderen
Überlieferung sagte er: ‚Allah verflucht diejenigen die so etwas tun.
Wahrlich der Gesandte Allahs (s) verfluchte diejenigen, die etwas was
eine Seele besitzt, als Ziel benutzen.’ (Ṣaḥīḥ Muslim 1958)“7
Das Verbot geht soweit, dass der
šāfiʿītische Imām Ibn Ḥaǧar al-Haitamī (Möge Allah mit ihm erbarmen
haben) das unzulässige Schaden von Tieren, wie das Schlagen, welches
Schmerzen verursacht ohne einen vernünftigen Grund, zu den großen Sünden
zählte.8 Auch beim Vernichten von Schädlingen und beim Töten
von Tieren, die eine Gefahr für Besitz und das eigene Leben darstellen,
sollte mit großer Mühe versucht werden, den Schmerz so gering wie
möglich zu halten. Tötungsmethoden, die zu einem langsamen und
qualvollen Tod führen, sind verboten, ebenfalls das Verbrennen.9
Als
grundsätzliche Maxime dient folgende Überlieferung: „Abū Huraira
überliefert, dass der Gesandte Allahs (s) sagte: ‚Füg der Schöpfung
Gottes keinen Schaden an.‘ [Abū Dāwūd, von al-Marur ibn Suwayd. Imām
Ǧamāl ad-Dīn az-Zaylaʾi erklärte es als eine authentische Überlieferung
(ṣaḥīḥ) in Nasb ar-Raya.]“10
Artgerechte Tierhaltung
Eine artgerechte und ethische
Tierhaltung liegt im Interesse des Islams. Wenn Tiere aufgrund
mangelhafter Umstände zu Schaden kommen, ist es besser, von dem
betreffenden Schlachthaus kein Fleisch zu beziehen. Um die Art und Weise
einer artgerechten Tierhaltung definieren zu können, muss hinterfragt
werden, ob unzulässiger Schaden vorhanden ist, wie viel Raum beim
Einsperren vorhanden ist, ob und wie oft die Tiere freigelassen werden.
Und zu guter Letzt muss aus dieser Perspektive betrachtet werden, welche
Umstände welche Auswirkungen verursachen.11
In zahlreichen Überlieferungen spricht
der Gesandte Allahs (s) von der frohen Botschaft über diejenigen, die
Tiere in schwierigen Zeiten zur Seite stehen. Solch ein Beispiel ist die
folgende Überlieferung:
„Abū Huraira überliefert, dass der
Gesandte Allahs (s) sagte: ‚Eine Prostituierte wurde von Allah vergeben,
weil sie beim Vorbeigehen einen hechelnden Hund nahe einem Brunnen sah,
der wegen Durst dem Tode Nahe war, sie zog ihren Schuh aus, band ihn an
ihre Kopfbedeckung und zog auf diese Weise Wasser aus dem Brunnen
heraus für den Hund. So vergab Allāh ihr auf Grund dieser Tat.‘
[Buḫārī]“12
Schlachten unter Bedingungen
Es kann zusammenfassend gesagt werden,
dass der Islam das Schlachten von Tieren und den Fleischverzehr erlaubt.
Allerdings sollten Anstrengungen unternommen werden, Schmerz und Leiden
so gering wie möglich zu halten. Der Gesandte Allahs (s) war in den
erwähnten Überlieferungen eindeutig genug. Allerdings machen Untaten das
Fleisch des geschlachteten Tieres nicht unerlaubt, dennoch wurden
Taten, die unzulässige Schmerzen verursachen, von den islamischen
Rechtsgelehrten als makrūh taḥrīman13 beurteilt.14
Auf folgende Punkte sollte Rücksicht genommen werden:
• Das Tier sollte vor dem Schlachten gut gefüttert sein.
• Das Tier sollte zum Schlachtplatz weder heftig gezogen, noch grausam transportiert, geschweige denn zu Boden geworfen werden.
• Das Tier sollte nicht mit einer Augenbinde versehen sein.
• Das Tier sollte nicht im Angesicht eines anderen Tieres geschlachtet werden.
• Das Blut sollte entfernt sein, wenn das nächste Tier gebracht wird.
• Das Messer sollte so scharf wie möglich sein, damit der Schnitt kurz und schmerzlos erfolgt.
• Das Messer sollte nicht vor dem Tier geschliffen/geschärft werden.
• Das Schlachten sollte so schnell und so professionell wie möglich geschehen.
• Das Schlachten sollte bis zum letzten Moment, wenn sich das Tier auf dem Boden befindet, aufgeschoben werden.
• Das Tier sollte vielmehr am Hals geschnitten werden, als am Nacken.
• Der Kopf sollte nicht vom Rest des Körpers getrennt werden.
• Das Tier sollte nicht betäubt werden.15
Betäubung
Die Betäubung geschieht bspw. durch
einen Bolzenschuss, durch Elektrizität oder auch durch Gas. Es stellen
sich aus islamischer Perspektive zwei Fragen:
1. Sind Betäubungsmethoden islamisch legitim?
2. Wäre das Fleisch zum Verzehr erlaubt, nachdem das Tier betäubt und daraufhin nach islamischen Regelungen geschlachtet wurde?
Die Antwort auf die erste Frage ist
abhängig davon, ob die Betäubungsmethoden den Schmerz beim Schlachten
tatsächlich verringern oder noch mehr unnötiges Leiden verursachen.
Einige Methoden sind sehr schmerzhaft und dementsprechend im Islam
verboten. Bei anderen Methoden wiederrum wird behauptet, dass die
Betäubung den Schmerz beim Schlachten lindert, allerdings kann man dies
nicht garantieren. Sicher ist, dass ein Bolzenschuss oder eine
elektrische Betäubung Schmerzen verursacht. Wenn jedoch bewiesen ist,
dass die Betäubung den Schmerz minimiert und nicht zum Tod führt, so
wäre es aus der islamischen Perspektive erlaubt, die Betäubung
auszuführen und das Fleisch zu essen. Trifft das Gegenteil zu, so ist es
verboten. Würde die Betäubung zum Tode führen, so wäre der Verzehr des
Fleisches nicht erlaubt. Denn einer der Vorbedingungen beim rituellen
Schlachten im Islam ist, dass das Tier lebendig ist. Ist man vom Gesetz
aus gezwungen, zu betäuben, muss man danach feststellen, ob das Tier
noch am Leben ist oder nicht. Wenn es noch am Leben ist, wäre das
Schlachten erlaubt.16
Aus islamischer Perspektive ist das Schächten die humanste und
barmherzigste Schlachtmethode und ein Segen für Mensch und Tier. Dr.
Aisha El-Awady zieht hierzu eine Studie von der Hochschule Hannover aus
dem Jahre 1978 heran. Die Studie trägt den Titel „Versuche zur
Objektivierung von Schmerz und Bewußtsein bei der konventionellen
(Bolzenschußbetäubung) sowie religionsgesetzlichen („Schächtschnitt“)
Schlachtung von Schaf und Kalb.“ Die EEG-Messungen der Untersuchung
zeigten in den ersten drei Sekunden nach dem Schächtschnitt unveränderte
Hirnströme, die darauf hinweisen, dass das Tier keine Schmerzen
empfand. In den darauffolgenden drei Sekunden wurde ein tiefer Schlaf
(Ohnmacht) verzeichnet, aufgrund des Ausblutens. Somit wurden innerhalb
der ersten sechs Sekunden keinerlei Gehirnsignale verzeichnet, dies
weist daraufhin, dass keinerlei Schmerz empfunden wurde. Bei der
Bolzenschussbetäubung hingegen waren die Tiere nach der Betäubung
bewusstlos. Nach der Betäubung zeigte das EEG deutliche Schmerzen auf.
17
Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass das
Konsumieren von Fleisch ein Luxus und nichts Lebensnotwendiges ist.
Ebenso sollten jedem die gesundheitlichen Schäden von exzessiven
Fleischkonsums bewusst sein. Denn es ist bekannt, dass der Gesandte
Allāhs (s) und seine Gefährten (ra) selten bis wenig Fleisch aßen18, Šaiḫ Hamza Yusuf beschrieb den Gesandten Allāhs (s) und die früheren Muslime als Semi-Vegetarier.19
Folgende Überlieferung kann als Zusammenfassung gelten:
„Der Gesandte Allahs (s) sagte:
‚Wahrlich Allah hat in allen Dingen die beste Art und Weise
vorgeschrieben. Das bedeutet, wenn ihr ein Tier tötet, so tötet recht
und wenn ihr schlachtet, so schlachtet recht. Jeder von euch soll das
Messer schärfen und dem Tier, das er schlachtet, Schmerzen ersparen.‘ “20
Und Allah weiß es am besten.
Quellen:
1 – vgl. http://www.inter-islam.org/Actions/Qurbani.html
2 – vgl. http://seekershub.org/ans-blog/2009/12/09/being-a-vegetarian/
3 – vgl. ebd.
4 – vgl. http://seekershub.org/ans-blog/2013/03/12/what-is-the-spiritual-significance-of-our-method-of-slaughtering/
5 – vgl. http://seekershub.org/ans-blog/2012/01/03/mercy-killing-of-animals-to-end-their-suffering/
6 – vgl. ebd.
7 – vgl. ebd.
8 – vgl. http://www.daruliftaa.com/node/5285
9 – vgl. http://seekershub.org/ans-blog/2009/08/22/is-it-permissible-to-kill-insects-and-harmful-animals/
10 – vgl. ebd.
11 – vgl. http://seekershub.org/ans-blog/2013/03/09/is-unethical-food-permissible-to-eat/
12 – http://seekershub.org/ans-blog/2012/07/06/the-reward-for-feeding-animals/
13 – makrūh taḥrīman: Etwas, das durch einen interpretationsmöglichen
Textbeleg, welcher Freiraum für Interpretation ermöglicht, nachdrücklich
befohlen wurde zu Unterlassen. Das Handeln entgegen des Gebotes ist
eine Sünde, den Befehl zu leugnen ist kein Unglaube, lediglich
Irreleitung. Quelle: vgl. Rabbani, Faraz: The Absolute Essentials of
Islam. London, White Thread Press. S. 19.
14 – http://www.daruliftaa.com/node/5285
15 – vgl. ebd.
16 – http://islamqa.org/hanafi/daruliftaa/7920
17 – vgl. Usmani, Muhammed Taqi: The Islamic Laws of Animal Slaughter. London, White Thread Press. S. 129-133.
18 – vgl. http://seekershub.org/ans-blog/2010/08/20/eating-the-meat-of-the-people-of-the-book/
19 – vgl. http://muslimmatters.org/2014/03/28/fair-trade-commerce-for-a-better-future-shaykh-hamza-yusuf/2/
20- vgl. http://www.daruliftaa.com/node/5285